Freitag, 24. Februar 2017


Deutschland, Gernrode (Sachsen-Anhalt):
Ehemalige Stiftskirche St. Cyriakus, ab 961 erbaut 



Diese einmalige Kirche,
die sich in einem eher abgelegenen Teil von Gernrode befindet,
ist eines der bedeutendsten ottonischen Architekturdenkmale in Deutschland.



Sie wurde erstmals im Jahr 961 erwähnt
und befindet sich aufgrund der Restaurierungen im 19. Jhdt.
heute wieder weitgehend im Zustand des 10. Jhdts;

Lediglich die das Westwerk mit eine Krypta darunter
und die westliche Apsis (hier oben im Bild) wurden um 1130 ergänzt.

 

Die Treppentürme des Westwerkes wurden erhöht
und dazwischen entstand das oberste Turmgeschoss
mit den gekuppelten Fensteröffnungen.

 

Westapsis und Krypta dienten der Verehrung des Hl. Metronus,
der zum zweiten Stiftspatron neben Cyriakus wurde.



Diese Kirche war seit der Errichtung des ersten Kirchenbaus
bis zur Auflösung 1616
die Stiftskirche des von Gero gegründeten Frauenstifts.



Sie war weder Pfarr- noch Bischofskirche,
sondern diente hauptsächlich den Angehörigen des Frauenstifts.



Hier die Ansicht von Norden mit dem nördlichen Querhaus,
in das in spätgotischer Zeit eine Schatzkammer eingebaut wurde.



Noch heute ist am Grundriss der Kirche zu erkennen,
dass die Mittelachsen von Westwerk,
Kirchenschiff und Ostteil verschoben sind.



Dies wird darauf zurückgeführt,
dass zunächst der Ostteil (hier im Bild) gebaut wurde,
dann das Westwerk und erst zuletzt das Kirchenschiff,
an dessen Stelle vermutlich eine provisorische Kirche stand,
die das Ausfluchten verhinderte.



Die Ostseite von St. Cyriakus
weist eine relativ große und hohe Mittelapsis ...



... sowie je eine kleine Querhausapsis auf.



Erstaunlich ist, dass die Mittelapsis fensterlos ist,
was sicher erst der Renovierung im 19. Jhdt. zu verdanken ist.



Dem Frauenstift standen bis zu seiner Auflösung im Jahr 1616 ...



... Äbtissinnen aus den adeligen Familien der Region vor.



 
Die Kirche wurde 1521,
als sich die Äbtissin Elisabeth von Weida der Reformation anschloss
und ihr Stift säkularisiert wurde, protestantisch
und war damit eine der ersten protestantischen Kirchen weltweit.

 

Hier die einzigartige Ansicht vom Süden
mit dem zweistöckigen Rest des Kreuzgangs.



Man betritt St. Cyriakus
durch das schlichte Eingangsportal im Norden, ...



... über dem zwei Löwenreliefs erneuert wurden.



Innen fällt sofort der romanische Taufstein,
der um 1150 gefertigt wurde,
im westlichen Mittelschiff auf.


 
Er gehörte nicht zur Ausstattung der Stiftskirche,
sondern stammt aus der abgerissenen Kirche von Alsleben
und wurde 1865 im Zuge der Neuausstattung 
vom Restaurator Ferdinand von Quast nach Gernrode gebracht.



Das achtseitige Taufbecken ist tief in den Sandstein eingearbeitet
und hat eine Höhe von 93 cm sowie einen Durchmesser von 120 cm.



An den Rundbogennischen der Außenseiten
 ist es mit figürlichen Reliefs ausgestattet,
die das Leben Christi darstellen, ...



... in zwei Dreiergruppen die Kreuzigung ...



... und den Salvator Mundi 
sowie in je einem Relief Himmelfahrt und Geburt Christi.


 
Die Umsetzung der Darstellung erfolgte jedoch nur
mit begrenztem künstlerischen Vermögen,
beispielsweise stimmen die Proportionen der Figuren nicht.


 

Der Sockel des Taufsteins ist eine Arbeit des 19. Jhdts.



Gleich dahinter befindet sich ...



... der Treppenabgang zur Westkrypta.




Sie ist dreischiffig und mit einem Kreuzgratgewölbe eingedeckt.



Zwei dickere Säulen mit Würfelkapitellen
sowie zwei dünnere weiter westlich tragen das Gewölbe.



Fresken sind hier allerdings keine mehr erhalten.



Hier der Blick von der Vierung in den Westteil.



Um die Kirche wieder als Gottesdienstraum nutzbar zu machen,
benötigte sie im 19. Jhdt. auch eine Orgel.



Von Quast ließ, um den Blick in die Westapsis
mit dem von ihm gestalteten Wandgemälde
des Jüngsten Gerichts nicht zu versperren, die Orgel teilen.



Manuale und Pedalwerk sowie Blasebalg 
sind getrennt und rein mechanisch verbunden.



Das Orgelwerk wurde mehrfach erneuert,
zuletzt 1981, als ein Werk der Firma Schuster eingebaut wurde.



Von Quast ließ die Kirche mit neuen Glasfenstern ausstatten
und mit großflächigen Wandgemälden ausmalen.

Bei der Farbwahl rot, gold und blau 
orientierte er sich an Freskenresten des 13. Jhdts.,
die er unter einer dicken Putzschicht in der Ostapsis fand.



Oben thront Christus in der Mandorla,
umringt von den Symbolen der vier Evangelisten, ...



... darunter verkünden Engel die Frohbotschaft.



Das Mittelschiff ist mit seinen zwei Jochen
eigentlich erstaunlich kurz.



Die Langhauswände sind
unten durch den Stützenwechsel gekennzeichnet.



Dabei tragen nur die Säulen ...



... reich verzierte Kapitelle.




Darüber befinden sich die von schlanken Säulen getragenen
 Emporen über beiden Seitenschiffen ...



... und ganz oben der Obergaden mit kleinen Rundbogenfenstern.



Vorwiegend in Blau, Rot und Gold
wie die Fresken in der Westapsis ...



... ist auch die flache Holzdecke gehalten, ...



... die mit zahlreichen Heiligen bemalt ist.




Diese Gestaltung setzt sich auch ...



... in den Decken der Emporen in den Seitenschiffen fort.



Auch die Arkaden des Langhauses ...



... wie der Vierung sind anläßlich der Renovierung im 18. Jhdt.
in diesen Farben bemalt worden.



 Im südlichen Seitenschiff befindet sich ...



... eine Nachbildung des Heiligen Grabes von Jerusalem.



Seine genaue Datierung ist umstritten,
man vermutet aber, dass es um 1080 entstanden ist.

Es steht jedenfalls fest,
dass es beim romanischen Umbau der Kirche bereits vorhanden war,
somit handelt es sich um das älteste erhaltene Heilige Grab in Deutschland.



Das Heilige Grab hatte eine wichtige Funktion
in der Gernroder Stiftsliturgie während der Ostertage.

Am Karfreitag wurde der vom Kreuz genommene Korpus Christi
in den Sarkophag des Heiligen Grabes gelegt.

In der Auferstehungsliturgie des Ostersonntags
wurde er dann wieder feierlich daraus hervorgeholt
und den anwesenden Gläubigen gezeigt.



An seiner Nordseite zeigt das Grab zwei Hälften
links und rechts einer Säule, die zum Mittelschiff gehört.



Die linke Seite zeigt ein nur noch unvollständiges Relief ...


 

... mit jeweils zwei Köpfen an den Ecken, ...



... denen Weinranken entspringen.



Rechts oben ist ein Vogel zu sehen, ...



... links in der Mittel ein geflügelter Löwe ...




... sowie rechts unten ein weiterer Kopf,
dem eine Ranke aus dem Mund wächst.




Auf dieser Seite befindet sich auch eine Türe,
durch die man in die Vorhalle des Heiligen Grabes gelangen kann:
Diese wird aber nur zu den Osterfeiertagen geöffnet.



Die Nordwand zeigt rechts der Säule eine Christusfigur,
die Maria Magdalena, die sich noch weiter rechts befindet, deutet,
ihn nach seiner Auferstehung nicht zu berühren.



 
 Die weichen, zurückhaltenden Formen deuten an,
dass man noch der Kunst des 11. Jhdts. verpflichtet ist,
die Verfestigung der späteren Jahre der Romanik kennt man noch nicht.



Die Westwand zeigt auffallend reichen plastischen Schmuck;
 in der Literatur wird sie daher häufig eine „Predigt in Stein“ genannt.


 

Die Mitte der gestalteten Wand nimmt die Stuckplatte
mit einer stehenden weiblichen Figur ein.

Diese Figur wurde früher als Stifterin gedeutet;
heute erkennt man in ihr zu Recht 
die vor dem Grabe stehende Maria Magdalena.



 Ein breites umlaufendes Rahmenband schließlich grenzt die Mittelgruppe ein.

Dieses Band ist unterteilt in eine äußere Weinranke mit Trauben,
die von Schlangenköpfen ausgeht, und eine innere Ranke,
die große Schlingen ausbildet, 
in die Menschen- und Tiergestalten eingeflochten sind.

In der Mitte der oberen Ranke steht das Lamm Gottes (Opfertod), ...



... in der linken oberen Ecke Johannes der Täufer ...



... und in der rechten oberen Ecke Moses, 
beide Vorläufer und Wegbereiter für Christus,
sie weisen auf das Lamm Gottes hin.



Zur Seite der beiden alttestamentlichen Figuren je ein Löwe.


 

Auch die anderen Bildelemente lassen sich in dieser Weise
symbolisch dem Generalthema zuordnen.


 
Die Bildertheologie dieser Westwand 
teilt sich in eine obere und eine untere Zone:



Die untere ist den irdischen Wesen, den Sterblichen vorbehalten,
die leicht der Sünde verfallen können.



Ihr gegenüber stellt sich der Bereich der Erlösung in der oberen Zone,
in dessen Mittelpunkt das apokalyptische Lamm erscheint;

die übrigen Symbole weisen auf die Grundtatsachen der christlichen Lehre hin:
Opfertod, Auferstehung und Himmelfahrt.



Vis-à-vis des Zugangsportals zur Kirche im Westen
kommt man auf der Südseite durch diese Tür ...



... in den einzigen noch verbleibenden Flügel des ehemaligen Kreuzgangs, ...



... in den Nordflügel, der direkt an die Kirche anschließt.



Hier hat es unglaublich schöne ...



... und aufwändig gestaltete Kapitelle, ...



... von denen allerdings schon ...



... einige Teile durch neue Kopien ersetzt wurden.



An der Ostseite des Kreuzgangs ...



... ist ein Türsturz aus ottonischen Zeiten zu sehen.



In der Außenwand der Kirche,
also an der Wand rechts im Bild ...



 ... gibt es einen Oculus ins Heilige Grab ...



... sowie einen weiteren Durchguck in die Kammer davor.



Der Vorraum ist vom Mittelschiff der Kirche durch eine kleine Tür begehbar,
die Grabkammer ist nur über diesen Vorraum erreichbar.



Der gesamte Reliefschmuck des Heiligen Grabes
bezieht sich auf das Thema der Grablegung und der Auferstehung.



Wie bei den byzantinischen Vorbildern 
werden die Figuren von Rankenbändern umgeben.



Leise, verhalten, von individueller Physiognomie und zarter Bewegung
 verkünden diese Figuren das heilige Geschehen.



Die Biforien in der unteren Etage des Kreuzgangs sind phantasievoll gestaltet.



Die in der oberen Etage sind etwas kleiner geraten.



Der noch erhaltene Flügel des Kreuzgangs wurde im 12. Jhdt.
in seiner noch heute bestehenden doppelstöckigen Form erbaut.



Mit der Aufhebung des Stiftes 1616 begann die Kirche zu verfallen.




Die Stiftsgebäude,
die im 18. Jhdt. noch fast vollständig erhalten waren,
wurden im 19. Jhdt. abgebrochen.



Die Kirche selbst diente als landwirtschaftliches Gebäude:

Die beiden Krypten dienten zur Aufbewahrung von Kartoffeln,
die Langhausempore als Getreidespeicher
und im Kreuzgang war Vieh untergebracht.



Heute dient das ehemalige Wirtschaftsgebäude vis-à-vis der Kirche
als Versammlungsraum für Veranstaltungen.



Im Schuppen daneben ist diese alte Steinschale ausgestellt, ...



... die wahrscheinlich auch romanischen Zeiten entstammt.



Aber jetzt wieder weiter in die Kirche,
von der es dieses hübsche Tonmodell gibt, ...



... um die noch ausständige Ostseite zu besichtigen.



Die große, fensterlose Ostapsis ist wohl nachträglich
als Pendant zur Westapsis umgestaltet worden.



Sie ist heute mit zwei Reihen von Heiligendarstellungen unten ...



... sowie Christus in der Mandorla umgeben von Engeln ausgemalt.




Eine der wenigen ganzen Grabplatten, die von Quast noch vorfand,
war die Grabplatte der Äbtissin Elisabeth von Weida,
die 1924 aufrecht vor der nördlichen Epistelambo aufgestellt wurde.

Die anderen waren um 1830 / 1831
zu den Treppen zum Ostchor verarbeitet worden.



Im Ostchor befindet sich auch das Hochgrab
des als Stifter verehrten Markgrafen Gero,
das 1519 in der Vierung der Stiftskirche errichtet worden war.



Die Deckplatte zeigt den Markgrafen im Hochrelief
in einer Rüstung vom Beginn des 16. Jhdts.

In seiner rechten Hand hält er ein Schwert, in seiner Linken eine Fahne.
Die Füße sind auf einen Löwen gestützt, der ein Schild hält.



An den Seitenflächen befinden sich auf dem Sockel stehende Figuren:
Auf der Nordseite Andreas, Mathias, Johannes der Täufer und Petrus.


 
Die Südseite zeigt Figuren der Heiligen Antonius und Hedwig
daneben Maria, Elisabeth von Thüringen sowie Onofrius.



Die beiden Schmalseiten bieten nur Platz für je zwei Figuren:
Auf der Westseite sind mit Cyriakus und Metronus
die Stiftspatrone dargestellt,



 ... an der Ostseite finden sich die Apostel Philippus und Thomas.

Die Figuren der Seiten haben im Gegensatz
zur Liegefigur auf dem Deckel der Tumba
keine hohe künstlerische Qualität.



Das Grabmal wurde 1865 während der Renovierung der Stiftskirche geöffnet.
Man fand darin die Knochen eines Mannes mit einer Körperlänge von 1,84 m.



Dahinter befindet sich ein nördlicher Stollen, ...



... der in die Ostkrypta führt, mit einem Holztisch darin.



Unter dem südlichen Querhaus gibt es ein ebensolches Gegenstück.



Die eigentliche Ostkrypta ...



... ist sehr schlicht und schmucklos ...



... und ruht auf kräftigen Pfeilern statt Säulen.



Sie enthielt früher einen Altar
der 11.000 Jungfrauen der Ursulalegende.



Wie die später erbaute Westkrypta 
ist auch diese Krypta dreischiffig.



Hier in der Westwand der Krypta bestand früher eine Confessio,
also ein Andachtsraum vor einem Heiligengrab
unter dem Hauptaltar der Kirche, ...



... der von der Mitte des Langhauses über eine Treppe,
die heute zugemauert ist (s. Bild),
 erreichbar und von oben einsehbar war.



Seit der Restaurierung ist die Stiftskirche
Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde St. Cyriakus Gernrode,
einer Gemeinde der Evangelischen Landeskirche Anhalts.



Außer zu Gottesdiensten wird sie ...



... auch gerne für Konzerte genutzt, ...



...  und u.a. wird das Osterspiel der Stiftsliturgie 
alljährlich zu Ostern aufgeführt.



Ach ja, ...



... und heiraten kann man hier natürlich auch:
 Einen schöneren Ort wird man sicherlich nicht so schnell finden!






St. Cyriakus in Gernrode

ist ein absolutes Muss

für Romanik-Fans!!









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